Können wir uns vorstellen, wie es sich anfühlen würde, in einer Welt- und Selbst-Wahrnehmung zu leben, in der die Frage, worum es im Leben wesentlich geht, im Mittelpunkt steht? Und wie es ist, die Frage, „Was heißt es, gut zu leben?“ nicht nur für sich subjektiv zu bewegen, sondern sie auch in tiefen, vertrauensvollen Dialogen zu erkunden? Und wie es ist, Teil einer neuen Gesprächskultur zu sein, die den gemeinsamen Blick auf das richtet, was als Zukunft wünschenswert ist: Als Frage nach dem guten Leben, von dem eine Ebene in uns ahnt oder weiß, dass es möglich ist. Indem diese Frage in einem sich entwickelnden „Wärmestrom“ (wie Josef Beuys es nannte) des Dialogs eingebettet ist, der als lebendiger Resonanzraum erlebt wird; in einem stetig werdenden Zusammenkommen, das positiv, und inspirierend in unseren Interessen, Entscheidungen und Handlungen mitschwingt. Ein Zusammenkommen das Mut macht, Möglichkeitsräume eröffnet und in unserem Alltag einen Platz bekommt.
So können diese und andere Qualitäten zwischen uns entstehen und dazu beitragen, dass wir Mitwirkende an Zukunfts-Dialogen werden, die sich dem widmen, was im Leben essenziell ist. Hier setzen bereits weltweit verschiedene Initiativen von Organisationen und Netzwerken an, die genau dieses Anliegen in den Fokus nehmen. Die eigene Vorstellungskraft ist Grundfähigkeit für eine nachhaltige Entwicklung unserer Zukunft. Dies meint Zukunft „nicht als Ort oder Raum, sondern wird verstanden als menschliche Fähigkeit. Sie ist nicht weit entfernt, sondern hier und jetzt, zwischen und in den Menschen“ (R. Benedikter in: evolve 36 ). Die zentrale Rolle dessen hat auch die UNESCO, die Welt-, Bildungs-, Kultur- und Wissenschaftseinrichtung als die große Zeitaufgabe erkannt. Die eigene, individuelle Vorstellungskraft „ist dabei eine Grundfähigkeit für eine nachhaltige Entwicklung unserer Zukunft“, so Prof. Roland Benedikter.
Nicht eine Zukunft, sondern viele Zukünfte
„Die Grundidee der Zukünftebildung ist, dass es nicht eine Zukunft, sondern viele Zukünfte gibt. Diese vielen Zukünfte existieren gleichzeitig nebeneinander und bewegen sich miteinander in einem dauernden Wechselspiel. Zudem verändern sie sich alle im Laufe der Zeit – weil sie in Menschen, Beziehungen und Dingen existieren, die sich verändern. Deshalb gilt es, sie sowohl in ihrer Verschiedenheit wie Gemeinsamkeit zu berücksichtigen und zusammenzuschauen. Dazu ist Dialog nötig. Dieser Dialog sollte nicht nur eine bestimmte Zeit lang, sondern ständig stattfinden. Auch soll diese Zukünftebildung nicht nur „von oben nach unten“, sondern wechselseitig und transversal stattfinden. Sie ist damit nicht nur ein individueller menschlicher Entwicklungsprozess, sondern auch ein Beziehungsvollzug.“ Dazu gehört auch wesentlich die menschliche Fähigkeit, sich in Wir-Kontexte zu entwickeln und zu entfalten, wozu spezielle Dialog- und Gesprächsräume gehören, in denen kollektives, zukunftsfähiges Lernen und Kommunizieren gefördert und angeregt wird. Die Zukünftebildung besteht dabei in der Organisation gemeinsamer Zukunftsdialoge. Dies soll neue Möglichkeiten der Teilhabe an möglichen Zukünften eröffnen und dadurch diese Zukünfte als gemeinsames und offenes Gesellschaftsprojekt entstehen und reifen lassen.
Uns als FNNF – Future Now Network Foundation – ist es ein tiefes Anliegen, die Entwicklung einer Vielfalt dieser Zukunftsdialog-Formaten in Form von Netzwerkbildungen voranzubringen. Diese Fähigkeit stärkt die Widerstands- und Selbsterneuerungsfähigkeit von Menschen und Organisationen. Das dazu im Rahmen der FNNF gegründete und sich entfaltende Netzwerk versteht sich als ein engagierter Raum, in dem diese Entwicklung aktiv gefördert, unterstützt und ko-kreativ entwickelt wird.
Prof. Dr. Dr. Dr. Roland Benedikter erschien in evolve 36 / November 2022 bis Januar 2023, S.69 Und spricht im UNESCO Chair für interdisziplinäre Antizipation und Globale-Lokale Transformation
Weiterführende Links:
https://www.eurac.edu/de/magazine/zukunft-zu-gestalten-muss-eine-gesellschaftliche-bewegung-sein